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Made in Italy - Das Erlebnis Formel 1 auf RAI Uno (15.8.2004)

Nein - es geht nicht um Ferrari. Da ich diese Zeilen gerade in meinem Hotelzimmer in Montecatini Terme tippe, läuft vor mir weder RTL noch Premiere, sondern RAI Uno. Während sich RAI Due seit gestern ausschliesslich mit Olympia beschäftigt, beschäftige ich mich mit der Berichterstattung in der Italienischen Version des Öffentlich-Rechtlichen Fernsehens. Kurz gefasst - weder unsere ÖR's noch RTL kommen da mit und auch Premiere muss sich geschlagen geben.

Um halb zwei eingeschaltet platze ich in eine Sendung, wie sie im Deutschen Fernsehen wohl schlicht unvorstellbar wäre. Eine schwarzhaarige Moderatorin mit herb-attraktivem Gesicht und sehr tiefem Dekolleté unter der Kostümjacke jongliert mühelos die Sprecher an der Strecke, mehrere Spezialisten im Studio, ergänzt von einer Delegation eines Ferrari-Fanclubs, unterbrochen von Live-Schaltungen zu drei verschiedenen Streckenreportern die bis hinauf zu Ecclestone allem und jedem ihre Mikrophone unterschieben.

Mangelnde Italienisch-Kenntnisse sind hier kein Problem - man muss eben mehr auf die Einblendungen achten - aber die Stimmung die hier herüber kommt ... Keine Trockenbrötchen mit unterkühlter Stimme und überschätztem Fachwissen, hier regiert die Leidenschaft. Unmittelbar nach dem Start kommentiert ein Sprecher schreiend und mit überschlagender Stimme den Ablauf der ersten Runde als würde der Italienische Nationaltorwart eine Minute vor Abpfiff selbst mit dem Ball vorstürmen, die gesamte gegnerische Mannschaft umspielen und den Siegtreffer des WM-Endspiels erzielen. Mit fortschreitendem Rennen beruhigt sich das ein wenig um gegen Ende noch frenetischer zu werden.

Der erste Werbeblock kommt nach 13 Runden: Kurzeinblendung eines noch tieferen Dekolletées von Vodaphone, ein einziger Werbespot, Espresso wird angeboten, das Produkt ist Programm: nach exakt zehn Sekunden ist die Kamera wieder auf der Strecke. Das Ganze wiederholt sich mit variierendem Inhalt: alle zwanzig Minuten zehn Sekunden Werbung. Wer auf RAI Formel 1 schaut, sollte die Toilettenpause vor dem Rennen einplannen und die Kaffee-, scusi, Espresso-Maschine neben sich stehen haben.

Ein wenig bedauere ich es bereits, das nächste Rennen wieder als Splitscreen-Einblendung zwischen den Werbeblöcken zu sehen. Oder auch in Premiere, dann zwar ohne Werbung, aber ebenfalls mit Kommentatoren, deren unbändige Leidenschaft in Äusserungen wie "Unser Computer hat vorausberechnet..." ihren leblosen Höhepunkt findet. Vielleicht sollte ich auf den Satelliten umschalten; RAI ist auch in Teutonien zu empfangen, teilweise verschlüsselt zwar, aber auch dafür gibt es ja etwas von Ratiopharm. Und dann lese ich auch zu Hause die Einblendungen vom Bildschirm, verstehe ausser "Skumaker" kaum etwas vom Kommentar, lasse mich aber trotzdem von ihm begeistern, schaue einer tiefdekolletierten Moderatorin in die schwarzen Augen und schlürfe dazu einen Espresso Doppio ... La dolce vita mit 900 PS und sehr viel Herz.


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