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WM-Fieber (15.Juni 2010)

Während die Formel 1 ihre Welttournee fortsetzt, fiebert die Mehrzahl unserer Mitbürger eher um die Veranstaltungen in Südafrikanischen Grasarenen. Irgendwie verständlich, so eine Serie die das halbe Jahr durch läuft bietet natürlich nicht die konzentrierte Jubel-Angriffsfläche einer kürzeren Adrenalin-Kette.

Als Anhänger der PS-Boliden kann man da nur zuschauen und, je nach Neigung, neidisch grün werden oder sich mit Kopfschütteln eine Genickstarre einfangen. Was hatten wir nicht in den letzten Jahren an multiplen Identitäten zu erleiden: Wir sind Papst. Wir sind das Sommermärchen. Wir sind Lena. Und demnächst vielleicht: Wir sind Weltmeister! Oder, wenn das nicht klappt: Sind wir nicht alle ein bisschen Yogi?

Vielleicht könnte ja einiges, quasi als Begeisterungs-Transfer, übernommen werden. T-Shirts ... kein Problem, gibt es schon, zusammen mit Basecaps und Schirmen. Aber für den richtigen Jubel? Mit den gefärbten Haaren wird es schon schwieriger. Ferrari-Rot, okay, machbar aber nun wirklich nicht sehr auffällig, ausser man lässt sich noch ein Pferdchen in das Schädelhaar rasieren. Aber wer will schon die Haare Mercedes-Silber färben? Auch Flaggen am Auto sind nicht wirklich der Bringer. Mercedes-Flagge am Mercedes? Vorstellbar. Lotus am Citroen? Renault am VW? Nein, das hört sich eher nach unerfüllten automobilen Feucht-Träumen an. Tattoos - schon besser. Den Ferrari-Hengst auf die Wange, jawohl. Aber Red Bull auf der Stirn dürfte eher zu vermehrten Alkoholkontrollen seitens unserer neuerdings blau gekleideten Strassenhüter führen. Gleiches gilt für Pressluft-Tröten und Auto-Corsos, obwohl letztere vermutlich schon wegen der geringen Teilnehmerzahl kaum auffallen und eher die Aufmerksamkeit beschleunigungsgeiler Jugendlicher erregen würden ("Ey, willsu Gaspedal?!"). Und für das "Public Viewing" genügt ja auch schon locker der Notebook mit DVB-T Stick.

Bleibt uns wohl doch nur der stille Jubel vor dem heimischen Flachmann. Vielleicht zur neuen schnellsten Runde ein paar Mal in die Vuvuzela gehustet und ansonsten ganz fest einreden dass die Einsamkeit Zeichen der Exklusivität ist. Der Jubel, der von draussen durchs offene Fenster dringt, stammt derweil von "Deutschland sucht den Superpimpf" oder "Germany's next Top-Moppel".

Aber mal im Ernst: Wollen wir wirklich alle ein bisschen Vettel sein?


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